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Er ist kein Freund von großen Worten und bevorzugt vielmehr die Gesellschaft der Tiere, mit denen er lebt, allem voran sein ihm stets treuer, auf Schritt und Tritt begleitender Hund. Sein Leben kann als raues und genügsames Dasein auf dem Land, der Estancia, seines Patrons bezeichnet werden. In früherer Zeit führte der Gaucho ein Nomadenleben und zog mit seinem Pferd von einem Landgut zum anderen. Er schlief zumeist auf einer Matte draussen auf der Erde, so wie es heute noch die umherziehenden Schafscherer während der Schursaison halten.
Durchaus auch in unserer Zeit noch ab und an vorkommend, dass er nicht des Lesens oder Schreibens mächtig ist, hütet der Gaucho zuverlässig das Vieh des Patrons, versorgt und pflegt es. Sind Pferde auf der Estancia vorhanden, ist er für die Zureitung und Ausbildung dieser verantwortlich. Er wohnt meist in einer sehr bescheiden ausgestatteten Hütte, die ihm vom Patron zugewiesen wird und von wo er die Estancia gut überblicken kann.
Für Ackerbau ist er nicht gemacht. Seine Domäne ist die physische Stärke und Geschicklichkeit, die er beispielsweise auch einsetzt, um Zäune auf dem von ihm betreuten Land auszubessern, aber in erster Linie, um mit den ihn anvertrauten Tieren zu arbeiten.
„Am Morgen kaum erwacht, ist sein erster Gedanke, nach seinem Pferde zu sehen, zu satteln, sich auf dessen Rücken zu schwingen, dann das Vieh zusammenzutreiben, so werden ungeheure Strecken im gestreckten Galopp zurückgelegt.“ (Zitat aus unbekannter Quelle).
Das Wort gaucho, aus der Ketchua-Sprache abstammend, bedeutet so viel wie Waise. Ein Wort, welches u.a. auch für junge Tiere verwendet wird, die von ihrer Mutter verlassen wurden.
Auf einer estancia, ebenfalls auf der Peninsula Valdes, die umgeben ist vom tiefblauen Südatlantik in Patagonien, wurde just vor meinem Ankommen vom Peon persönlich ein Rind geschlachtet. Es hing schon gehäutet auf dem Hof, als ich ankam und wurde gerade zerteilt. Nun ja, so ein Vorgehen ist natürlich nicht wirklich legal, da die Schlachtung ohne Beisein von Tierarzt, ohne Zertifikat etc. vor sich geht. So ist das halt hier im argentinischen campo; jeder versucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas dazu zu verdienen. Das Rind war schon etwas älter, wie man mich wissen ließ. Daher war der überwiegende Teil nicht mehr zart genug, um es als Grillfleisch zu deklarieren und für den sonntäglichen asado (barbecue) zu verkaufen, den die Argentinier gern und ausgiebig zelebrieren. Dieses war jedoch kein Makel für die Männer, da das Fleisch sich noch ganz prima für die Herstellung von Hamburgern sowie für die Wurstverarbeitung eignete, erklärte man mir fachmännisch.
Der Gaucho in Patagonien ist – so lasse ich mir erzählen – noch wortkarger als der aus der Andenregion oder der Gaucho aus der Pampa. Ebenso schmückt er sich nicht mit Poncho und Hut, wie zum Beispiel der Gaucho aus der Provinz Salta im Nordosten des Landes und trägt auch sein obligatorisches Messer nicht so sehr zur Schau. Er begnügt sich kleidungstechnisch mit der klassischen Hose, die man allgegenwärtig auf dem Land trägt, der sogenannten bombacha und als Kopfbedeckung dient die boina, die traditionelle Baskenmütze, die den patagonischen Gaucho einigermassen gegen den immer präsenten Wind in der Steppe schützt.
Vielleicht hat der anonyme Verfasser folgender Zeilen recht: „Man muss diese Gauchos sehen, um die ungezügelten und kühnen Charaktere zu verstehen, welche aus dem Kampfe des isolierten Menschen mit der wilden Natur hervorgehen; man muss ihre Gesichter gesehen haben, um ihr Selbstvertrauen und die Verachtung der Gefahren begreifen zu können.“ Da bleibt mir noch hinzuzufügen, dass man wohl ebenfalls eine Weile mit ihnen verbracht haben muss, um diese freiheitsliebenden Charaktäre zumindest ein wenig zu verstehen.